(in Anlehnung an U2´s famosen “Where the streets have no name” Hit).
Dieser Blogeintrag wird geschrieben am 15.12.2012, Morgens zwischen 5:30 und 8:00 Uhr. Also einen Tag später als die Ereignisse selbst. Aber etwas Abstand von den Dingen ist ja bekanntlich immer gut.
Der Tag begann mit der Erkenntnis, das wir handeln müssen. Die ganze Nacht sind wir ziellos durch die Flaute getrieben und die “Wettervorhersagen” (…werde ich ab jetzt immer nur noch in Anführungszeichen setzten) melden einvernehmlich Flaute bis Montag.
Also handeln!
Also irgendwie die Leine aus dem Propeller bekommen!
Die Sonne geht auf und mein Plan zur Lösung dieses Problems steht:
Ich binde mir einen Rettungsknoten auf den Bauch (spezieller Knoten mit einer Leine um Menschen am Oberkörper abbergen zu können), daran machen wir eine Sorgleine (einfach eine lange Leine zur Sicherung der Person) die an Bord fest befestigt wird und von Hendrik geführt wird damit nicht zu viel Leine im Wasser ist.
Ferner will ich in T-Shirt, Hose und Schuhen ins Wasser damit der Körper einigermaßen gegen den Bootsrumpf gesichert ist.
Außerdem legen wir einen Rettungsring klar und ich erkläre Hendrik, wie er mich aus dem Wasser bekommen könnte, falls ich durch einen Schlag auf den Kopf (…verursacht durch den Bootsrumpf) bewusstlos werden sollte. Wir wollen dazu einfach ein Spinnackerfall über eine Winde nehmen und das an meinem Rettungsknoten anbringen. Die Gefahr besteht durchaus da das Boot in dem alten Schwell (=Wellen, die sehr lang sind und durch Wind in einer anderen Region erzeugt wurden) sehr stark rollt. (…sich in und her bewegt).
Dann mit Schnorchel, Taucherbrille und Messer ins Wasser und sehen, wie ich die Leine da raus bekomme.
Das war also der Plan. Nun die Mannschaft geweckt und beim morgendlichen Müsli alle Einzelheiten besprochen.
Nun also los!
1. Tauchgang: Ich klettere angeleint und “bewaffnet” über die Badeleiter uns Wasser und erwarte ein “Kaltes schauriges etwas” – völlig falsch! Angenehm warmes Wasser umspült mich. Also ganz rein, um die Windfahne achtern herum und längsseits an Backbord auf Höhe des Propellers. Das “schwimmen” mit Brille und Schnorchel ist ganz ungewohnt. Durch die Taucherbrille kann ich alles sehr gut sehen! Die Leine ist mindestens 10 Törns im den Propellerschaft herum, aber nicht in den Propellerflügeln. Außerdem ist der Propeller nach achtern in den Ruder-Steg gerutscht. Mist, einmal zu tief untergetaucht und Wasser durch den Schnorchel angesaugt. Überhaupt ist diese reine Beobachtung schon sehr anstrengend. Also ran ans Werk: Luft anhalten, die 1,5 Meter runter zum Propeller, sich an einem Leinenrest festhalten und eine Umdrehung der Leine ab. Mist, keine Luft mehr, schnell nach oben!
Japsend an die Oberfläche – Luft einsaugen. Man, bin ich aufgeregt und denke, komm mal wieder runter sonst wird das hier nichts!
Neuer Anlauf, wieder eine Umdrehung abgewickelt, wieder viel zu schnell keine Luft mehr und auch diesmal auch wirklich keine Kraft mehr.
Also Pause an Deck.
2. Tauchgang An Deck erst mal Wasser getrunken um das viele Salzwasser zu kompensieren. Und Ausruhen und die Lage unter Wasser schildern. Also wieder rein, diesmal ist es nicht so unbekannt wie beim ersten Mal und ich realisiere nun auch die Umgebung es Boots: Durch die Sonne ist das Wasser tiefblau, unter dem Rumpf verliert sich dieses tiefe Blau einfach im nirgendwo. Keine Fische, eine Pflanzen. Einfach Blau.
OK, du hast hier einen Job zu erledigen!
Also nächster Anlauf, tauchen und einen festgeklemmten Wickel mit dem Marlspieker aufgeheblt. Diesmal bleibe ich länger an der Baustelle, habe aber um so mehr Panik beim Auftauchen keine Luft mehr zu kriegen. (…das kurze Stück!).
Die Bootsbewegungen sind eigentlich gar nicht mein Problem.
Luft. Luft ist das Problem!
Also zurück an Bord. Pause und Diskussion “wie bekommt Peter mehr Luft?”.
3. Tauchgang Man kann den Schnorchel ja mit einem langen Schlauch verlängern. Wir finden was passendes, montieren ihn und neuer Anlauf… …der bereits nach 2 Minuten abgebrochen werden muss weil ich durch die Konstruktion nicht genug Luft ansaugen kann. Beim Test an Bord war wohl Ruhepuls… Erstmals kurz der Gedanke, ertrinken zu müssen… …also in Panik zurück an Bord ohne der Baustelle näher gekommen zu sein.
Ich muss nichts sagen. An Deck wird dann jedem klar, das ich vor lauter Angst da nicht mehr runter will…
…so vergehen Stunden um Stunden. Die Hoffnung auf eine leichte Briese zerschlägt sich schnell. Die Sonne brennt unerbittlich auf uns nieder und wir suchen jedes Fleckchen Schatten.
Am Nachmittag dann ein Telefonat mit Segelfreund Wolfgang. Wolfgang hat immer Ideen und gibt gute Denkanstöße! Der macht noch mal die Gefahr eines Tauchgangs klar, aber auch, das die Leine aus dem Propeller muss. Und das meine “Abwickeltechnik” zu langsam sei. Besser mit Brotmesser (…mit Wellenschliff) säbeln was das Zeug hält. Ferner diskutieren wir den Zustand eines Drucklagers an der Welle – das hat sich etwas zerlegt und ich bin mir unsicher, ob das überhaupt noch funktionieren kann (….und vielleicht suche ich unterbewusst auch nach einem Argument, nicht wieder ins Wasser zu müssen…). Aber Wolfgang geht davon aus das man das Lager und die Gummihalter einfach wieder anschrauben kann – das seien ganz robuste Teile.
Aber vor allem stehe die Leine!
4. Tauchgang Es vergeht wieder einige Zeit bis ich mental bereit bin, einen neuen Anlauf zu nehmen. Wir diskutieren an Bord noch weitere Schlauchalternativen für eine permanente Luftversorgung, kommen aber zu dem Schluss das das alles zu unhandlich ist und das diese Unhandlichkeit auch der Grund für die Panik im letzten Tauchgang war.
Also Brille, Schnorchel, Leinen an und ab ins Wasser. Das Brotmesser reicht mir Heidi über die Bordwand, als ich schon im Wasser bin.
Nicht lange rum schwimmen. Hendrik führt mich an der Leine nun mehr vorderlich so das ich nur “rechts runter” muss.
Also runter, säbeln, rauf, Luft holen, runter säbeln, rauf Luft holen, wieder runter, säbeln, Luft holen…
…und es reift die Erkenntnis – ja so geht es (endlich!) so bekomme ich das hin!
Kurze Verschnaufpause im Wasser, dann weiter. Und wie Wolfgang vorhergesagt hat: Die Leine ist verklebst und verschmort von der Reibungshitze beim Festlaufen.
Nach (gefühlt) 20 Minuten ist die Leine raus und ich kann den Propeller mit der Hand drehen.
Geschafft, geschafft, geschafft!
Was für eine Euphorie!
Nun also an das Drucklager. Dazu muss die Achterkajüte erst mal leer geräumt werden und das große Werkzeug bereit gestellt werden. Das übernehmen Heidi und Hendrik – wir alle spüren unsere Chance hier weg zu kommen! Los, weiter!
Heidi führt die Taschenlampe, ich die Schraubenschlüssel und trotz irrer Hitze und Enge haben wir das Teil nach 30 Minuten wieder zusammen gesetzt. Alles lädt sich per Hand drehen, alles sieht gut aus.
Also nun die Stunde der Wahrheit: Geht, oder geht nicht?
Ich bleibe bei der Welle, Heidi startet die Maschine und kuppelt ein.
Hurra, wir haben es geschafft! Die Welle dreht sich!
Für 2 Minuten, dann bleibt sie stehen.
Irgend etwas fest gefressen? Motor aus, nein es lässt sich alles mit der Hand drehen,
Hm, also muss es das Getriebe sein. Das nagelneue, in Las Palmas eingebaute neue hydraulische Getriebe. Ich schraube den Ölpeilstab auf – Öl ist drin, aber wieso sieht der so verformt aus? Muss wohl ganz schön heiß gewesen sein.
Kruzes Telefonat mit Wolfgang und dem Mechaniker auf Las Palmas.
Einzige Chanve ist ein Ölwechsel im Getriebe. Man kann ansonsten da nichts einstellen oder fester ziehen.
Und statt Geriebeöl solle ich lieber das dickflüssigre Motoröl nehmen. Also altes Öl raus, neues Öl rein.
Neuer Versuch.
Gleiches, extrem niederschmetterndes Ergebnis.
Ende der Fahnenstange. Nix geht mehr. Wir sitzen wir in der Flaute fest und haben keine Chance auf ein Entkommen.
Schwer geknickt räumen Heidi und ich die Baustellen auf und machen alles wieder sauber.
Und wie immer ist es Heidi, die versucht das Beste daraus zu machen während ihre Kerle den Kopf hängen lassen:
Sie stellt sich an den Herd und kocht Gulasch mit Salzkartoffeln und frischem Rotkohl.
Ich sehe diesmal auch schnell die Notwendigkeit von Zweckoptimismus ein – 4 Tage schaukelnd in brütener Hitze in einer Flaute zu hängen und permantent schlechte Laune haben – das kann auch böse enden.
Also räume ich das Cockpit auf um den Tisch aufbauen zu können.
Und so verspeisen wir im Cockpit, am Tisch sitzend, Heidis Wunderdroge, und bekommen wieder bessere Laue während die Sonne am Horzont atemberaubend untergeht.
Peter.
P.S. Auch in der Nacht kein Wind, wir treiben in die falsche Richtung und sind nun 3 Seemeilen weiter vom Ziel entfernt, als zuvor. Aber was sind schon 3 Seemeilen bei noch 460 Miles to go?
Und bei bereits zurück gelegten 2300?