Was hatte ich gestern für ein Glück!
Der Hafenmeister in der STRAITS QUAY MARINA legt ein großes deutsches Segelboot mit wunderschönen blauem Rumpf direkt vor meine Nase. Die STRAITS QUAY MARINA ist übrigens eine besondere Marina, es ist die erste RETAIL SHOPPING MARINA in PENANG.
Die Erbauer haben den Schwerpunkt auf die Shoppingmall gelegt und nicht auf die Marina. Die ist nur Beiwerk – und das ist ein Glück für mich!
Der Rumpf des Neuankömmlings ist so schön flach das die Leinen fast waagerecht zum Pontoon führen. Glück muss man haben!
Die Menschen auf dem Boot sind komisch. Zwei Halblinge zappel und
kreischen immer nur rum, der Skipper trinkt offenbar zu viel Bier – bei
dem riesigen Bauch! Und was das für Amateure sind! Für die Luken haben sie vernünftige Fliegengitter, aber den Niedergang schützen sie gegen Eindringlinge nur lose mit einem Mückennetz.
Mit einem M Ü C K E N N E T Z!!!
Mag ja sein, das die Mücken darin hängen bleiben – auf mich wirkt das
Mückennetz eher wie ein roter Teppich, über den ich bald wandeln werde!
Ich zittere vor Aufregung über das bald anstehende Festmahl. Ich es kaum erwarten, aber es ist noch viel zu Hell für ein aufentern. Also Geduld, Geduld.
Warte, warte, nur ein Weilchen…
Es wird dunkel und die Halblinge fallen als Erste in den Schlaf. Die
großen Menschen wälzen sich hin und her und werden bald tief schlummern.
Ich hingegen bin hellwach und male mir aus, welche Köstlichkeiten und Leckerreien mich auf diesem deutschen Dampfer erwarten.
Mein Weg über die Leinen ist so einfach wie erwartet. Wie ein
Mondscheinpfad liegen die weißen Festmacherleinen, vom Mondlicht kunstvoll in Szene gesetzt, vor mir. Schon bin ich im Cockpit.
Hoffentlich haben die Amateure das Mückennetz gut befestigt so das ich nicht wie in einem riesigen Spinnennetz darin hängen bleibe, wenn ich darunter durch schlüpfe.
Den Niedergang hinunter. Stockdunkel ist es nun und ich finde die
Kombüse nicht sofort. Lande auf dem Kartentisch. Bei allen Ratten dieser Welt: Ist der unaufgeräumt! Alles mögliche liegt hier herum, aber nichts zu futtern. Das sollen wirklich Deutsche sein?
Was ist das? War ich etwa zu laut?
Der dicke Mensch wacht auf und kommt zum Kartentisch…oh Mist, ich muss hier weg! Schnell mit zwei, drei Sprüngen nach Rechts zur Ablage im Deckshaus. Ich glaube, der Dicke hat mich wirklich gesehen!
Mist, Mist, Mist!
Er ruft etwas und macht Licht an…gar nicht gut, wo meine Augen doch so empfindlich auf Licht reagieren!
OK, ich denke, es ist aus und ich muss hier raus. Nichts mit Festmahl,
keine Köstlichkeiten. Er hat mich gesehen!
Nach Links zu dem offenen Fenster – ich springe, ich pralle von einem
schwarzen Moskitonetz ab und falle auf eine Art Fernseher, komme auf die Beine und finde ich mich im herrlich unaufgeäumten Salon wieder. Wie viel Zeug die Menschen so durch die Gegend fahren?
Ich finde schnell ein gutes Versteck, der Dicke kramt zwar in den
Sachen, aber das kann er vergessen.
Der findet mich nie!
So gibt er auch schnell auf, hantiert noch etwas herum und geht dann
wieder zu Bett. Ich lege mich auch erst mal hin. In dem Gewühl von
Sachen finden die mich nie und die Nacht war aufregender als gedacht!
Nur doof das ich noch so hungrig bin!
Hätte ich doch zunächst die Kombüse gefunden und nicht den doofen Kartentisch.
Schlafen, schlafen, schlafen.
Ich träume von Deutschem Brot, Schinken, Leberwurst und auch von
Bananen. All das bekomme ich hier auf meinem Pontoon nur sehr selten.
Gleich um die Ecke gibt es ein Deutsches Restaurant, da fällt manchmal was für mich ab.
Die Menschen verlassen am nächsten Tag das Boot erst gegen Mittags und es ist brütend heiß. Sie haben das Boot verrammelt und an eine Flucht ist nicht zu denken. Aber ich will auch gar nicht schon wieder weg.
Jedenfalls jetzt noch nicht. Jedenfalls nicht, ohne das ich mir vorher
den Bauch mit Deutschen Spezialitäten vollgeschlagen habe.
Die Nacht bricht wieder herein, die Halblinge schlafen wieder zuerst
ein, dann die großen.
Wann ist es nur an der richtigen Zeit für eine neue Erkundung?
Ohhhh, ich rieche schon den süßen Duft von geräuchertem Speck und Banane.
Nur nichts überstürzen. Immer mit der Ruhe. Vorfreude ist die Beste
Freude und ich werde mir gleich den Wamst voll hauen, das es kracht!
Und dann, nach dem Mahl, werde ich mir an Bord ein nettes Plätzchen für die Weiterreise suchen. Ich wollte schon immer mal weiter kommen als bis zu diesem Pontoon in einer RETAIL MARINA mit einem Deutschen Restaurant, das nur manchmal was für mich übrig hat. Und diese deutsche Familie scheint mich sehr willkommen zu heißen, wenn sie solche Delikatessen offen herum liegen lässt.
Ohhh, wie köstlich das riecht!
Die Borduhr hat gerade 2:30 Uhr geschlagen, ich glaube, ich gehe mal los.
Leise, leise, das mich ja der Dicke nicht wieder erwischt!
Meine gute Nase führt mich zielsicher zu meinem Mahl. Zu einem
Festschmaus an den ich mich bis an mein Lebensende noch erinnern werde!
Da liegt er vor mir. Wie hübsch angerichtet. Extra für mich:
Geräucherter Speck über Banane, so liebe ich es. Ich muss schon sagen, die Deutschen verstehen zu speisen – kein Wunder das der Dicke so dick ist.
Ich falle hungrig über das mir dargebotene her und wundere mich noch ein wenig über das laute “klack!!!” Geräusch hinter mir. War ich das? Ich habe noch nur gespeist? Ohne zu schmatzen?
OK, ich sollte mal kurz von meiner Beute ablassen und mich umdrehen und nachsehen. Aber was ist das?
Der Rückweg ist versperrt!
Kein Ausweg! Nicht nach hinten, nicht zur Seite und auch nicht nach vorne!
Mist, eine Falle, eine hundsgemeine Falle!
Ohhhh, wehe wehe, wie das wohl ausgehen werde?
Im Boot werden die Menschen wach. Die Frau vom Dicken ruft irgendwas und der Dicke setzt sich träge in Bewegung. Ein Lichtstrahl erfasst mich und ich kann im Gesicht des Dicken so etwas wie ein Lächeln erkennen.
Na also, wie beruhigend, das wird schon nicht so schlimm werden.
Aus einem Schapp kramt er Handschuhe hervor und zieht sie sich an. Er packt mit beiden Händen meinen Käfig und ich versuche ihn mit wilden Sprüngen und irren Gesten zu beeindrucken um mir eine Fluchtmöglichkeit zu erarbeiten. Doch er stopft mich mitsamt dem Käfig in einen großen blauen Waschzuber und bringt mich zurück auf mein Pontoon.
Rückreise erster Klasse, wäre doch gar nicht nötig gewesen. Ob der
Aufregung bin ich zwar immer noch hungrig, aber an das Essen in meiner unmittelbaren Nähe mag ich gerade nicht denken.
Jetzt zerrt er mich zum Wasserhahn.
Was soll denn das bitte?
Ich brauche jetzt keine Dusche. Ich bin hier auf dem Pontoon zu Hause und für meine intime Körperpflege selbst zuständig!
Och nööööö, bitte jetzt kein Bad. Schon gar nicht mit diesem ekeligen
Frischwasser aus dem Schlauch, dann doch schon eher ein Schaumbad im herrlich stinkenden Hafenbecken?
Aber komisch, der Dicke lässt immer mehr Wasser ein und mein
Bewegungsraum wird immer mehr eingeschränkt. OK, ich bin ein guter Schwimmer, aber Luft zum Atmen brauche ich dann doch auch…
Ohhhhhh, oh je, mir schwant böses. Er will mich nicht in Freiheit
entlassen, sondern unwürdig ertränken!
Dieser elendige Dicke Scheißkerl!
Also Attacke, ihn nervös machen und zur Aufgabe zwingen:
Ich tauche nach unten, komme mit voller Geschwindigkeit wieder nach oben und werfe mich mit meinem ganzen Gewicht gegen das Gitter des Käfigs.
Ich fletsche die Zähne, ich zeige die Krallen, ich springe, ich zucke,
ich kämpfe!
Ein letztes Mal kann ich gerade noch so Luft holen, dann begreife ich,
es ist aus.
Nein, nein, nein!
Mit der letzten Luft in meinen Lungen kämpfe ich weiter, ich beginne zu phantasieren und erinnere mich an den leckeren geräucherten Speck und die Banane. Hätte ich doch bloß mehr davon gekostet…
…aber jetzt ist alle zu spät…
…ich spüre wie meine Glieder schwer werden….
…ich kann mich nicht mehr konzentrieren…
…ich verlange nach Luft…
…und öffne den Mund um Luft zu Atmen und bekomme statt dessen nur Wasser….
…F…r…i…s…c…h…….w….a……s…..s…….e……..rrrrrrrrrrrrrrrrrr