Quantcast
Channel: Wiedekamm Elmshorn
Viewing all articles
Browse latest Browse all 916

Karibisches Leben

$
0
0

Segelfreund Wolfgang wünscht sich statt schnöder deutscher Basiskultur (vgl. Beitrag zu Udo Lindenberg) dann doch lieber Live-Berichte über unser Leben in der Karibik…

…here we go:

St. Lucia hat so ca. 140.000 Einwohner und eine hohe Arbeitslosenquote. Gute und feste Arbeit gibt es eigentlich nur in den ausländischen Firmen, die hier ihre Dienstleistungen anbieten – ansonsten wird das Arbeitsleben von selbstständigen Unternehmen und Tagelöhnern bestritten, die jeden Tag aufs neue ihre Kunden finden müssen.

Über Egbert, Fibre und Chinaman hatte ich ja bereits schon berichtet.

Wir fahren alle paar Tage mit dem Dingi in die St. Lucia Shopping Mall zum “Super J”. Das Dingi lassen wir an einem kleinen Anleger in der nähe der Mall – so was nennt man Dingi-Dock. In der Regel sitzt dort Fletcher – bestimmt über 50 Jahre alt und schwer seh- behindert. Er sitzt dort und wartet jeden Tag auf Amerikaner, Kanadier, Franzosen, Engländer oder eben Deutsche die mal schnell zum Einkaufen wollen. Natürlich schließen alle ihr Dingi mit einem Sicherheitsschloss an, aber Fletcher ist dennoch davon überzeugt, das er auf die Schlauchboote gut aufpasst und das diese Tätigkeit entsprechend vergütet werden muss. So geben wir ihm immer 5 oder 10 EC (Estern Caribiean Dollar, ca. 1,60 bzw. 3,20 Euro) – er freut sich darüber und wir denken an die tägliche Gute Tag. Natürlich ist das “nicht gerechtfertigt”, aber es ist sein Land und von irgend was muss ein halb blinder Dingi-Aufpasser ja wohl auch leben.

Soziale Sicherungssysteme wie Arbeitslosenversicherung oder Rente sind hier unbekannt.

“Super J” ist eigentlich ein ganz normaler Supermarkt – neben Typen wie uns sind dort auch viele Einheimische anzutreffen.

Merkwürdig finden wir nur, das fast alles (!!!) importiert wird. Frische Milch gibt es nicht, statt dessen H-Milch – aus Deutschland!

Sämtliches Gemüse und Obst komplett importiert! Stolz wird auf diesen Umstand hingewiesen.

Dafür gibt es im Supermarkt von sechs verschiedenen lokalen Bäckern Brot – aber das kaufen wir nicht: Alles dieses labbrige weiße Weichbrot.

In der Mall gibt es mit dem “Food Market” noch einen anderen Supermarkt. Der ist eher ein Feinschmecker Laden und bietet auch ein paar lokale Produkte. Dort gehen wir aber nicht mehr hin, weil wirklich alles (Fleisch, Gemüse, Brot) immer einen leichten Seifengeschmack hat. Ob die wohl des Nachts irgendein Ungeziefer-Gift im ihrem Laden versprühen?

Obst kann man auch bei Gregory kaufen. Der fährt mit seinem abenteuerlichen Gefährt (angetrieben von einem 10 PS Außenborder, geschmückt mit vielen Landesflaggen, geschützt mit alten Teppichen) jede Menge Obst und Gemüse spazieren. In der sicheren (weil wellenlosen) Marina und im Ankerfeld. Um auf sich aufmerksam zu machen verwendet er eine Muschel als Signalhorn – cooler Sound! Nach einigen Einkäufen bei Gregory möchte Heidi nicht mehr bei ihm einkaufen – zu teuer und zu schlechte Qualität. OK, teuer mag sein, aber er verkauft halt nur lokale Produkte und in Deutschland würde man die Bio-Gemüse nennen. Da gibt es sicher immer wieder Qualitätsprobleme, gell? Jedes mal, wenn Gregory nun vorbei kommt und wir “No, Thank you” sagen meint er, er wisse nicht, warum wir ihn gefeuert hätten ;-(

Und dann gibt es für lokales Obst und Gemüse noch den “Tüten-Man” – seinen Namen kennen wir leider nicht. Der junge Kerl läuft mit ca. 10 Kg Obst und Gemüse in Tüten alle Stege ab (ca. 3 Kilometer?) und versucht sie an den Kunden zu bringen – sobald sich einer an Deck sehen lässt geht das Verkaufsgespräch los!

Sud verkauft kein Obst, Sud wäscht schmutzige Wäsche. Dieser ältere und extrem hagere Mensch ist für die Wäsche (Laundry Service) und das Befüllen von Gasflaschen zuständig. Er hat seinen Laden auf dem Gelände der Marina und darf als einziger mit einem Golf-Caddy über die Stege brettern. Auch hier – individuelle Ansprache, von Boot zu Boot. Klassisches Klinken Putzen! Er nimmt für eine Wäsche 50 EC – inklusive Hol- und Bringservice, waschen, trocknen und zusammen legen.

Gregory, Tüten-Man und Sud sind sicher keine klassischen Tagelöhner – das sind selbstständige Unternehmer die ihrem Job nachgehen.

Als echter Tagelöhner braucht man in der Rodney Bay Marina entweder einen guten Draht zur Security (jeder Eingang wird bewacht) oder einen offiziellen Ausweis. Auch diese Menschen wollen nur Arbeit. In der Regel wollen sie Boote putzen, polieren, den Edelstahl auffrischen oder einfache Reparaturarbeiten durch führen – in jedem Fall besteht der erste Satz aus “I make you a good price”… …und da lohnt es sich genau hin zu hören und vor allem nach zu fragen!

“Two for Each” – gemeint sind 200 Dollar für jeden der beiden Arbeiter. ABER welche Dollar? – nun, geht es nach dem Anbieter natürlich US$! ;-)

Kein Geldautomat auf der Insel spuckt US$ aus – also landet man dann bei zwei mal 350 EC.

Was wir hier absolut nicht verstehen: Wie funktioniert die Wirtschaft wirklich?

Einerseits können die Löhne für einfache Tätigkeiten nicht hoch sein – man findet immer sehr viele “Mitarbeiter” die sich kümmern – in Europa wäre das aufgrund der Personalkosten nicht möglich. Aber wenn die hier so wenig verdienen, wie kommen sie dann über die Runden? Jedenfalls nicht durch regelmäßiges Einkaufen bei “Super-J”.

BTW: Ich glaube nicht, das “Super-J” für “Super-Jochen” steht. Dies nur, damit Jochen nicht denkt, er könne jetzt “in Supermarkt machen” ;-)

Natürlich gehen

Wenn denn dann die PITON-Bierflaschen nicht nur 0,285 Liter beherbergen würden, müsste man beim Abendessen sich nicht ständig um Nachschub sorgen ;-)

Soweit zum Hintergrund.

Wir liegen seit gestern vor Anker in der Rodney Bay. Alle Arbeiten sind abgeschlossen und wir räumen unseren Dampfer in Ruhe wieder auf und ein damit wir seetüchtig werden. Morgen Vormittag bekommen wir noch einen Rope-Cutter – das Teil soll (weil messerscharf) Leinen in der Schiffsschraube in Zukunft verhindern. Dazu kommt Egbert mit einem Taucher vorbei – wird bestimmt spannend!

Wenn das Wetter und die Uhrzeit passt, wollen wir dann rüber nach Martinique. Ca. 30 Seemeilen, aber offene See. Vielleicht fahren wir auch erst am Sonntag. Mal sehen – kein Termindruck…

…obwohl der Kommunikationsoffizier darauf besteht, seinen Geburtstag auf Dominica zu verbringen. Das, so befürchte ich, könnte dann doch stressig werden…

Peter.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 916