Hier endlich der sechs-Etappen-in-einem Bericht über unsere Heimreise aus dem KATTEGAT mit dem STORMVOGEL:
Zunächst noch ein Nachtrag zu VARBERG:
Die Fähre STENA NAUTICA, von GRENA kommend, legt jeden Abend im Hafenbecken von VARBERG ein beeindruckendes Wendemanöver ohne Fremde (Schlepper-)Hilfe hin.
Aus der Revierfahrt heraus ein 180° Wendemanöver auf engstem Raum und dann kurz rückwärts an den Liegeplatz. Leider war das Wetter zu grau und ich stand an einer sub-optimaler Position für die richtigen Fotos, aber die hier müssen einfach reichen.
Nun denn, es geht weiter. Am Mittwoch, den 20. September 2017 gehts 35 Seemeilen rüber nach ANHOLT. Keine echte Überraschung, das laue Lüftchen reicht nicht zum segeln. Mit dem gesetzten Groß zur Stütze laufen wir also SÜD-WEST und überqueren die großen Sandbänke Nördlich von ANHOLT. Das Wasser ist vier bis fünf Meter tief – und glasklar. Wir freuen uns richtig über dieses klare, saubere Wasser. Erstaunlich, hatten wir so noch nicht, in diesem Jahr.
Wenn es jetzt auch noch warm wäre? Das Wasser? So um die 25°C vielleicht? Wie? Geht nicht in der OSTSEE? Ach, wie schade!
Der in der Saison oft überfüllte Hafen von ANHOLT – menschenleer. Vielleicht sechs andere Boote sind hier. Uns fällt sofort die neue Hafenanlage auf. Kein Heckanker mehr nötig – Schwimmbojen für die Heckleinen, wie wir aus einem Aushang lernen, mit einer Lanze in den Hafengrund geschossen und bombenfest. Auch die Stege und deren Elektrik sind neu. Also neu für uns, die das letzte Mal vor acht Jahren hier waren. Keine Ahnung, wann umgebaut wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Ohne große Diskussion beschließen wir, einen Hafentag in dieser Einsamkeit einzulegen. Der Abend klingt mit einem kleinen BBQ am Steg aus, die Manschaft möchte nicht, das der Skipper schon wieder an Bord grillt.
Tags darauf geht es mit dem geliehenen Fahrrad gehts zum Kaufmann. Natürlich ist keines der Geschäfte, Kneipen oder Restaurants im Hafen mehr geöffnet und der Kaufmann im Dorf ist gut 4 Kilometer entfernt. Der Fahrradverleih im Hafen ist auch nicht mehr geöffnet – aber der hat einen Aushang: Man habe ein DO-IT-YOUR-SELF System für die Miete und man möge bitte anrufen. Das machen wir gerne, um an die sehr einfachen Fahrräder zu kommen. Fußkranke Segler und so.
Na ja, also das so genannte DO-IT-YOUR-SELF System geht so: Man ruft an, bekommt den Zahlencode für das Zahlenschloss um auf einen Schlag ca. 15 Fahrräder auf zu schließen, sucht sich eines oder zwei aus, schließt die anderen wieder ab und steckt das Geld für die Miete in den Briefkasten. Rent-A-Bike made simple.
Durch den großen Hügel, der fast schon als kleiner Berg durchgeht, bekommt ANHOLT seinen ganz eigenen Charakter und gewinnt an Charme. Wie lieben es, hier mit dem Fahrrad zu fahren. Auch im Dorf ist bis auf den Supermarkt alles geschlossen. Es ist halt spät in der Saison.
Hafentag ist auch oft auch mal Waschtag. Jedenfalls wenn wir Waschmaschinen und Trockner finden. Der Waschsalon zu ANHOLT hat geöffnet, die Münzautomaten brauchen ja keine besondere menschliche Aufmerksamkeit. Sollte man meinen. Denn eine Maschine will unsere Wäsche absolut für sich behalten und lässt sich nicht mehr öffnen. Aller Versuche, Wartezeiten und Flüche helfen nichts. Kein Mensch weit und breit. Auf einem Handgeschrieben Zettel an der Tür entdecken wir in extremer Kleinschrift eine Telefonnummer – und rufen an. Der Däne am anderen Ende der Leitung erklärt im gebrochenen Englisch, das könne doch gar nicht sein, wir sollten warten bis sie von alleine aufgehe und er könne sowieso nichts machen, weil er auf dem Festland sei.
Na toll!
Die modernen Industriemaschinen sind rundum geschlossen, keine Schrauben zum öffnen, kein Pumpendeckel, um das Wasser manuell abzulassen. Nur einen Drehknopf und ein Display, das in Dänisch irgendwas von „Fehler“ verkündet. Wir rufen erneut den auf dem Festland befindlichen Waschsalonbetreiber an und drücken vorsichtig so was wie verärgerung aus. Er verspricht, einen befreundeten Fischer gegen 18:00 Uhr vorbei zu schicken. Der könne vielleicht helfen. Das sind noch über zwei Stunden und ob ein Fischer auch Waschmaschinenexperte ist? Mehr aus ärgerlicher Verzweiflung – wir lassen niemanden zurück – auch nicht unsere Wäsche! – drücken wir endlos lange auf den Drehknopf und auf einmal erscheint im Display ein Menü und wir können die Tür öffnen. Oder auch die Menüsprache ändern, oder sonst was einstellen…kein Wunder, das der Festlandmensch uns diesen Trick nicht verraten wollte.
Mit viel Klebeband und einem deutlichen Hinweiszettel nehmen wir die defekte Maschine außer Betrieb, nicht, das andere das gleiche Problem bekommen.
Den Abend verbringen wir auf der Veranda des Hafenbüros im 1. Stock mit einem grandiosen Blick über den Hafen auf die OSTSEE. Ein paar Drinks, Erdnüsse und wir merken schon wieder, wie gut wir es haben. Und das dieses Segeln in der Spätsaison durchaus auch wirklich schöne, sogar sehr schöne Tage mit sich bringt!
Früh´ am nächsten Morgen stehen wir beim Fischladen im Hafen. Der macht nur Morgens kurz auf, wenn die Fischer wieder kommen. Am Vorabend auf der Veranda konnten wir beobachten, wie vier Fischkutter den Hafen verlassen haben. Zwei davon sind schon zurück, die anderen trudeln ein, als wir im Laden stehen. Wir kaufen 2 Kilo Ostsee-Garnelen und drei Schollen. Die Garnelen sind schon kopflos und zwei Kilo sind viel zu viel, aber lecker. Die Schollen sind der Hammer – und die bekommen wir fast geschenkt. Beim Essen dieser Köstlichkeiten denken wir an das glasklare Wasser und an die Boote, die am Vorabend ausgelaufen sind. Scheiß-Job, sicher, aber das Ergebnis ist klasse.
Für den übernächsten Tag kündigt der Wetterbericht Segelwind an, um nach SÜDEN zu kommen. Wenn man denn schon in GRENA wäre. Also gehen wir am Vormittag erneut unter Maschine bei sehr schwachem Wind weiter nach Westen und durchqueren den Windpark in der Ansteuerung von GRENA. Wir sind noch nie durch einen Windpark gefahren, zu viel Resepkt. Aber jetzt, bei glatter See und unter Maschine natürlich kein Problem. Ansonsten 29 völlig ereignisfreie Seemeilen. Passt zum Ziel GRENA – kein weiteres Wort über diese Relaistation.
Tags darauf geht es im trüben Grau direkt weiter nach SAMSÖ, knapp 40 Seemeilen entfernt. Doch der Wind ist so schwach, das wir nach zwei Stunden den Brüllaffen im Keller anschmeißen. 3 Knoten Fahrt sind für 40 Seemeilen nicht wirklich zielführend. Vielleicht im Hochsommer mit viel Tageslicht. Aber nicht jetzt.
Erstaunlicherweise ist der Hafen von BALLEN auf SAMSÖ recht voll. Ach ja, es ist ja Wochenende! Es sind also doch noch eingeborene Segler unterwegs – und durchaus sportlich, denn nach BALLEN kommt man ja auch nicht einfach mal so zum Kaffee. Wir machen direkt neben einem uralten in Klinkerbauweise gebauten Holzboot fest und wechseln ein paar Worte mit einem Belgier, der genau so aussieht wie sein Boot und erklärt, das er in BALLEN auf dem Boot überwintern werde…na, wenn das mal nicht sehr einsam wird?
Eigentlich wollten wir ja mal einen ganzen Tag auf SAMSÖ verbringen, aber wie so häufig auf unseren Rückreisen. Auf Rückreisen werden wir magisch vom Ziel angezogen! Außerdem macht sich der Skipper Sorgen um das Bugstrahlruder, das seit GRENA merkwürdige Geräusche von sich gibt. Es funktioniert zwar, hört sich aber anders an. Muss überprüft werden.
Behutsam, sehr behutsam und vorsichtig weist die Mannschaft auf eine seit Jahren stehende Verabredung zwischen Skipper und Mannschaft hin:
Alles, was unter Wasser ist, ist des Skippers Job.
Nun ja, die Bugstrahlpropeller sind tatsächlich unter Wasser und allem äußeren Anschein zum Trotz, besitzt der Skipper durchaus so was wie eine Skipper-Ehre. In der Vorahnung von eiskaltem Wasser betäubt sich eben jener Skipper mit alkoholischem Getränk, wohl wissentlich, das man das nicht tun sollte…steigt ins Wasser, bekommt Schnappatmung, schwimmt 14 Meter nach vorne, setzt die Taucherbrille auf, holt Luft, taucht und steckt seine rechte Hand in den Propellertunnel um eventuelle Blockaden oder Hindernisse zu ertasten…und schwups, schneidet er sich drei Fingerkuppen an den scharfkantigen Muscheln auf, flucht, schwimmt die 14 Meter zurück und klettert mit letzter Kraft wieder zurück an Bord.
Dort erwartet ihn die mitfühlende und vorbereitete Mannschaft und überschüttet ihn mit Mengen von warmen Wasser – oh, wie wohlig schön das ist, wenn der Kälteschmerz nach lässt.
So richtig was gefunden hat der Skipper bei seinem Schnelltauchgang nicht, aber eben auch sicher gestellt, das da außer den Muscheln kein Fremdkörper im Tunnel ist.
Sehr früh´ am Morgen des 24.9. machen wir uns auf den Weg durch den großen Belt nach NYBORG. 42 Seemeilen. Anfangs segeln wir mit dem großen WINGAKER, aber der Wind ist für das Leichtwindsegel doch zu stark und wir hängen voll auf der Backe. Also wechseln wir lieber schnell auf die weißen Segel, trimmen diese und schon läuft das Boot wie auf Schienen nach Süden…nur der Gegenstrom von etwas über einen Knoten trübt die Freude. Und der graue, regen verhangene Himmel sowieso.
Verdammt viel Schiffsverkehr hier. Die Sicht ist im Zusammenspiel mit dem AIS ausreichend und wir kommen keinem großen Dampfer zu nahe. Als wir in die Nähe der Storebæltsforbindelsen (der Brücke über den Großen Belt) kommen, erscheint blauer Himmel samt Sonne und nimmt uns dafür den schönen Segelwind. Einmal mehr können wir nicht alles auf einmal haben, aber immer einen Anteil an was Gutem.
Weil die Masthöhe des STORMVOGELS 19 Meter ist und die offizielle Brücken-Durchfahrtshöhe der WEST-Passage nur 18 Meter beträgt, fahren wir im Schifffahrtsweg. Hier beträgt die Durchfahrtshöhe 65 Meter und wir müssen dafür einen Umweg von gut 10 Seemeilen dafür in Kauf nehmen. Egal, die Sonne scheint und diese Spätsommer Stimmung auf dem Wasser ist schon einmalig.
Skipper und Mannschaft sind sich sicher, noch nie in NYBORG gewesen zu sein…doch bereits in der Ansteuerung dämmert es dem Skipper, hier schon mal gewesen zu sein. So einen hübsch zurecht gemachten, aber dennoch extrem sterilen Hafen vergisst man nicht. Die Pommes-Bude am Hafen hat noch auf und so lauschen wir bei Curry-Wurst-Pommes und Bier den Übertragungen der heutigen Bundestagswahl im Internetradio. Die Sache ist ja schnell klar und wir trotten zurück an Bord, holen Duschzeug, machen uns nachtfein und schließen früh die Augen.
Die Etappe von NYBORG nach MARSTAL (31 Seemeilen) verspricht sehr angenehm zu werden. Segelwind, gute Landabdeckung zu beiden Seiten und ein Ziel, auf das man sich immer freuen kann. Jedenfalls können wir das. Immer noch.
Das Groß im zweiten Reff und mit der Fock laufen wir prächtig nach SÜDEN und erreichen das enge und flache Fahrwasser der Langelandsbroen (Brücke nach LANGELAND). Dem Skipper wird es nun zu eng, also packen wir an geeigneter Stelle alle Segel weg und motoren im Fahrwasser. Gute Entscheidung, denn kurz vor erreichen der Brücke dreht der Wind komplett und ist auch mal kurz ganz weg.
Aber er kommt wieder und so können wir kurz nach der Brücke das YANKEE setzten und im Fahrwasser die paar Meilen nach MARSTAL laufen…als wir dort ankommen haben wir mal wieder satte 25 Knoten Wind und wir planen den Anleger ganz genau. Nicht, das das Bugstrahlruder bei dem Wind wirklich helfen könnte, auch, wenn es 100% in Ordnung wäre. Nein, bei dem starken OSTWIND muss der Anleger klappen.
Mit viel Fahrt geht der Skipper in die Box, mit großem Geschick und in rasender Geschwindigkeit bekommt die Mannschaft die Luv-Achterleinen auf den Holzpfahl und sogar die Luv-Vorleine am Steg fest, nachdem sie auf eben jenen Steg gesprungen ist und der Skipper voll aufgestoppt hat.
Es ist, so glaube ich, noch nie vorgekommen, das der Skipper für einen Anleger applaudiert. Diesmal tat er es, voller Stolz auf die gemeinsame Leistung. Klar, da war auch Glück dabei, aber ganz klar auch Können. Vielleicht ist das ja auch ein Ergebnis unserer OSTSEE 2017 Touren: An/Ableger unter Starkwind-Bedingungen geübt.
Auf dem Weg ins Dorf und der Suche nach dem Anlegerbier reden wir die ganze Zeit über den sehr gelungenen Anleger, so aufgeregt sind wir noch. Und das, obwohl wir nach den ersten Leinen noch gut 30 Minuten gebraucht haben, um die Leeleinen über zu bringen und das Boot in die richtige Position zu bringen. Unglaublich, dieser völlig ungebremste Winddruck auf den Rumpf. Da hält man gar nichts mehr mit der Hand! Schon gar nicht den STORMVOGEL.
Die Suche nach dem Anlegerbier verläuft erfolglos. Geschlossen, geschlossen und genau, geschlossen. Nur, wie immer, der Supermarkt hat noch auf. Also eine Dose am Wegesrand, nicht besonders ruhmreich.
Der Wetterbericht für die Woche meint, das es täglich schlimmer werden wird. Wind wird zunehmen und auf SÜD drehen, das ist für Kurs LABOE nicht gut. Also gehen wir schon wieder am nächsten Tag weiter. Der Ableger dauert auch fast 30 Minuten, weil wir Hilfsleinen auf Slip legen müssen, um die Knoten überhaupt auf zu bekommen. Aber auch das klappt, wir richten uns wieder auf viel Wind ein – reffen also schon im Hafen und gehen auf Kurs.
Diesmal ist es alleine die Mannschaft, die in einem Anflug von Überheblichkeit auf der 32 Seemeilen langen Reise dummes Zeug anstellt und einen Kohleintopf unter Deck kochen will. Sie war vom Skipper gewarnt. Es wird scheppern, rappeln und klappern. Aber nein, kein Problem, die Mannschaft kocht Kohleintopf!
So durchpflügen wir mit über 7 Knoten Durchschnitts-Geschwindigkeit die Wellen und nach einer guten halben Stunde kommt eine grünlich im Gesicht ausehende Manschaft den Niedergang hoch und klettert ins Cockpit und verkündet: „Ich hätte es fast geschafft – die Suppe ist fast fertig, aber jetzt kann ich nicht mehr!“
Ja ja, drohende Seekrankheit und die Überheblichkeit von Skipper und /oder Crew. Nie eine gute Kombination. Respect The Elements, kann ich da nur sagen.
Wir treffen andere Segler und ich frage mich, wieso man sich auf offener See unter diesen Bedingungen so nahe kommen muss? Obwohl Kurshalter, reffe ich das Yankee etwas aus und gebe Vollgas, um die Situation zu entschärfen. Nähe KIEL LEUCHTRUM herrscht viel Schiffsverkehr und die Sicht könnte besser ein. Voraus gehen Wolkenbrüche über Land nieder und durch die letzte Kursänderung kommt der Wind nun achterlich. Auf einmal schaukeln wir ganz gemütlich nach LABOE, dem letzten OSTSEE-Ziel für dieses Jahr. Ach ja…
15 Minuten nach dem Anleger steht die Kohlsuppe auf dem Tisch – lecker!
Peter.
P.S.:
Tja, das war sie wohl, die Segelsaison OSTSEE 2017. Wir lassen das Boot noch ein paar Tage in LABOE und hoffen, das wir zwischen den ganzen Terminen zu Hause noch mal schönes Wetter haben und ein oder zwei schöne Segeltage ergattern können. Ende Oktober, kurz vor der HANSEBOOT gehen wir dann durch den Kanal ins Winterlager nach GLÜCKSTADT.
P.S.2:
Die Werft in LABOE hat das Bugstrahlruder innenbords überprüft – keine Fehler oder Auffälligkeiten erkennbar. Ein am Steg vorbei kommender Taucher hat unter Wasser noch mal nachgeschaut und auch nichts gefunden…und das Geräusch ist auch weg. Klabautermann, ick hör Dir trabsen…
P.S.3:
Dafür ist die Heizung ausgestiegen…das ist echt großer Mist. Die schöne Heizung! Heizt nicht. Luft im Diesel. Es ist ein Boot. Ein Boot!