GUERNSEY am Samstag, den 25. Juni 2016 unter Vollzeug verlassen – gutes Gefühl, mal wieder zu segeln…
a) Etappe 1: Nach CHERBOURG via ALDERNEY RACE 46 Seemeilen
…nur für kurze Zeit, denn am späten Vormittag macht der Wind eine Pause und wir motoren durch das ALDERNEY RACE.
Diese „RACES“ kennen wir ja schon seit 2012, denn an der englischen Südküste gibt es eine Reihe davon. Naiv könnte man denken, das hier Sportboote Rennen veranstalten. Es sind aber nicht Sportboote, die hier irre Geschwindigkeiten hinlegen, sondern es ist das Meer selbst. Bedingt durch Meeresboden und Küstenform strömt hier das Wasser mit 8 bis 12 Knoten um die Ecke.
Wir das haben natürlich so abgepasst, das wir diese Strömung mit uns haben und laufen so über 10 Knoten über Grund und driften eher um CAP LA HAGUE herum denn steuern den direkten Kurs. Bis zu 30° Abweichung zwischen wahrem und scheinbaren Kurs. Das Wasser selbst ist völlig platt, wohl auch weil kein Wind weht. Aber es sieht unheimlich aus. Es brodelt. Es strömt. Man erkennt große Strudel, die das Boot schlagartig massiv vom Kurs abbringen. Der Herr Autopilot hat alle Hände voll zu tun.
Das Wetter wird rasch ungemütlicher, die Sonne verschwindet hinter Wolken, aber wir werden nicht nass. Eine sehr schnelle Etappe war das, 46 Seemeilen in 6 Stunden.
Die Freude darüber verfliegt im Marina-Büro von CHERBOURG. Satte 53 Euro pro Nacht für einen viel zu kurzen Pontoon werden uns abgeknöpft.
Das tolle daran ist: Wir bleiben gewollt einen Tag länger um auf unsere Freunde von VOYAGER zu warten. Die kommen ja gerade von ihrem rauhen Nord-Atlantik Törn zurück und wollen nun schnellstmöglich nach Hause. So verbringen wir mit Jan und Jürgen einen schönen Sonntag Nachmittag und schauen zusammen auch das gute Fußballspiel.
Der Zufall will es, das VOYAGER und STORMVOGEL in einer Box neben einander liegen, Heidi würdigt das in einem Foto. Zu Letzt haben sich die Boote in NEUSEELAND gesehen…man, ist das weit weg!
b) Etappe 2: nach FECAMP 80 Seemeilen
Montags brechen wir dann früh´ mit leichtem Gegenstrom zum echt langen Schlag nach FECAMP auf. Glatter Ostkurs über die BAIE DE SEINE. Anfangs noch Segelwind, dann Motorsegeln was das Zeug hält, denn 80 Meilen im Tageslicht sind kein Zuckerschlecken. Die Reise ist eher langweilig, nur im Zufahrtsgebiet zu LE HAVRE ist Schiffsverkehr. Wir passieren einen voll abgeladenen Tanker, der hier weit draußen auf Reede liegt und offenbar auf Order wartet.
Der Anleger am auch hier viel zu kurzen Steg geht wieder schief. Wieder ärgert sich der Skipper lautstark und die Crew ist eingeschüchtert still. Sobald der Skipper sich beruhigt fühlt er sich ja auch schlecht ob seiner Unbeherrschtheit. Und Schuld ist in Wirklichkeit ja nicht unbedingt die Crew, sondern die viel zu kurzen Stege. Wenn mehr als die Hälfte des Bootes „in der Luft hängt“ und am Steg auch noch mit Klampen gegeizt wird, dann ist es halt echt schwer, ohne Theater fest zu machen. (…dafür nimmt FECAMP im übrigen 47 € die Nacht)
All das weiß der Skipper und er weiß auch seht bestimmt, das er ohne diese seine Crew die Reise nicht vollenden würde…
…wir haben noch ca. 20 Liegeplätze bis Hamburg. Zeit genug, sich zu verbessern!
Auf den ersten Blick gefällt uns FECAMP ganz gut. Sieht klein, nett und gemütlich aus. Aber das alles reicht dann doch nicht, um von „wir bleiben nur über Nacht“ hochgestuft auf „wir erkunden die Stadt“ zu werden. Weiter gehts…
c) Etappe 3 nach DIEPPE 31 Seemeilen
Zumal die nächste Etappe nach DIEPPE am Dienstag (28/06/2016) so schön kurz ist und hervorragende Segelbedingungen angesagt sind. Und so erfüllen wir uns einfach unseren Wunsch, mal wieder gemütlich und ohne Zeitdruck vor uns hin zu segeln. So laufen wir mit gut 5 Knoten platt vor dem Wind an der spektakulären Felsenküste der PICARDIE entlang und genießen den Tag.
Am frühen Abend machen wir einen kurzen Stadtsparziergang durch DIEPPE und denken, auch ganz nett hier. Größer (viel?) als FECAMP, aber schön. Wieder, schön teuer: 47 € und, man ahnt es schon, ein versauter Anleger mehr auf dem Konto.
Was soll es, wir verschwinden am frühen Morgen (06:00!!!) – rufen aber erst mal über UKW den Hafenmeister, ob wir denn überhaupt raus dürfen. Dürfen wir nicht: Ein großer Dampfer verlässt den vorgelagerten Industriehafen und nach 20 Minuten sind wir dran…immer hübsch der Reihe nach!
d) Etappe 4 nach BOULONGE SUR MER 54 Seemeilen
Die Wetterberichte sind sich einig. Das gibt viel Wind. Die Crew ist sich einig. Macht nichts! Wir wollen segeln und nicht schon wieder eine lange Etappe unter Maschine zurück legen. Und so pustet es gute 25 Knoten, Vormittags in Böen auch mal über 30. Aber aus der richtigen Richtung – von Backbord-Achtern. Sobald die Landabdeckung hinter uns liegt, geht die Brausefahrt los. Die angesagte 2 Meter Welle ist auch da, aber unangenehmer als erwartet. Liegt wohl am flachen Wasser. Um die 20 Meter mit ein paar Bänken von 10 Meter darin. Weil der Wind später mehr auf Süd dreht, baumen wir das YANKEE aus – diese Manöver klappen wirklich gut an Bord des STORMVOGELs.
Als wir die Hafeneinfahrt von BOULONGE SUR MER erreichen, macht sich der Skipper eingehende Gedanken, wie er das Boot wohl in den Hafen hinein bekommen will. Denn der Seegang ist mittlerweile völlig konfus, oft brechen Wellen und wir müssten die eigentlich quer statt achtern nehmen…
Ich will Heidi nicht zumuten, bei dieser See in Hafennähe unter Maschine in den Wind zu gehen und das Boot im Wind zu halten damit ich am Mast das Großsegel bergen kann. Wir shiften das YANKEE von Backbord nach Steuerbord, machen es kleiner und nehmen den Baum an Backbord weg. Das klappt wieder ganz gut. Dann bergen wir noch vor dem Wind laufend das Groß (war sowieso nur im ersten Reff). Zur Not geht das dank der Mastrutscher-Rollwagen auch ganz gut.
Dann laufen wir langsam mit dem stark gereffeten YANKEE in Richtung Steuerbord-Mole. Die ist ganz piffig gegen den vorherrschenden West / Süd-West Wind gebaut und wir können das platte Wasser schon gut erkennen…
…das motiviert!….
…dann die Maschine an, vorher natürlich kontrolliert ob wirklich alle Leinen an Deck gesichert sind, denn ich befürchte viel Wasser an Deck. Und in weniger als 5 Minuten sind wir im ruhigen Wasser. Puh, das war mal mindestens spannend.
Von Nord kommend (also gegen den Wind und auch noch gegen den Strom, was für ein Wahnsinn!) läuft zeitgleich eine belgische BAVARIA ein und wir sehen an deren Bug eine lange Leine im Wasser hängen. Das kann doch nur schief gehen!
Ob des starken Windes hört der Skipper unsere Rufe nicht und ich laufe auf ihn zu…ich weiß, das es da, wo die BAVARIA ist, sehr schnell sehr flach wird. Aber ich denke, wir müssen ihn irgendwie warnen. Das gelingt auch nach zwei Anläufen und wir sehen, wie die Crew die Leine birgt. Ganz schön lang das Teil.
Dann ein Schock beim Blick auf den Tiefenmesser: 1,70 Meter. Scheiße!
Wie eiern mit langsamer Fahrt aus dem Flachwassergbiet heraus ohne aufzusitzen. Noch mal Glück gehabt. Ich mache mir Vorwürfe nicht besser aufgepasst zu haben. Aber wenn der Belgier einen Maschinenausfall wegen Leine im Propeller gehabt hätte, hätten wir nach unserem Selbstverständnis sowieso helfen müssen. Da war kein anderer zur Stelle.
Nun denn, wir bekommen in der Stadtmarina einen langen Pontoon und können endlich mal wieder vernünftig fest machen. Wir sind erschöpft, aber wirklich glücklich, das wir diesen Törn so gut gemeistert haben. Das gibt Selbstvertrauen.
Und noch besser wird es, als wir uns anmelden und bezahlen gehen – 37 € die Nacht. Alles wird gut, in BOULONGE SUR MER…
e) BOULONGE SUR MER
…denn als wir uns im Hafen umsehen, sehen die die VOYAGER wieder und auch MARLIN, das Boot das wir ab und zu seit PORTUGAL getroffen haben. Somit ist klar – wir gehen nicht direkt weiter. Zum einen ist unser Bedarf an Brausefahrten erst mal gedeckt, zum anderen wird das Wetter noch schlechter und zum Dritten haben wir ja Freunde hier, mit denen man quatschen kann, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt.
Wir gehen erst mal bunkern – mir ist aufgefallen, das wir nur noch einen Hafen in Frankreich haben und ich möchte unbedingt Berge von Rotwein mit nehmen. Nicht, das man ihn wo anders nicht auch bekäme. Aber hier gibts den Bord-Praktisch in Kanistern. Nicht nur Fusel, auch guten
Der CARREFOUR liefert sogar bis ans Boot – das ist echte Kundenorientierung und spart das Taxi und das Schleppen.
Gestern Nachmittag (30/06/2016) dann Stadtrundgang – der Wetterbericht hat versprochen, das es trocken bleibt. Irgendwer hatte mal gesagt, BOULONGE SUR MER sei ganz schön, daran erinnere ich mich genau. Die Wahrheit ist aber, das die Altstadt hinter den Burgmauern sensationell ist (…jedenfalls, wenn man alte Gebäude und Straßen mag). Die Kirche, oder hier Basilika genannt (…wer kennt schon den Unterschied?) ist sehr beeindruckend. Nicht unbedingt besonders von außen.
Wenn man hinein geht, erwartet man ein durch-restauriertes, farbenfrohes und kitschiges Gotteshaus…
…und liegt völlig falsch. Offenbar hat diese Kirche überhaupt kein Geld und vieles sieht so aus, wie es nach hunderten von Jahren wohl aussehen muss. Das macht die ganze Anmutung ernster, gottesfürchtiger und beeindruckender.
Wenn ich da nur an den pompösen Kitsch von SANTIAGO DE COMPOSTELLA zurück denke? Kein Vergleich!
Das Architektur der Basilika ist der Hammer. Hoch oben erkennt man noch Gewölbegänge, die uns leider versperrt sind. Die Kuppel ist von innen schon restauriert und es wird einem ganz schwindelig, wenn man lange nach oben schaut.
Ich habe nur das Standardobjektiv mit. Wer kann auch schon vorher ahnen, das es hier was besonders zu sehen (zu fotografieren!) gibt? Wenn es draußen mal wieder trocken wird, müssten wir da noch mal mit der großen Ausrüstung hin pilgern…
Für heute haben wir ein paar kleine Bootjobs und Blog schreiben auf dem Zettel. Eigentlich wollten wir Morgen weiter, aber das Wetter wird wohl noch garstiger und, das ist ebenfalls zu planen: Morgen Abend spielt Deutschland gegen Italien und da brauchen wir eine Sportsbar. In Frankreich
Peter.
P.S.:
Unsere Segelfreunde Regina und Michael von ANICO möchten ihre HALBERG RASSY 352 in AUSTRALIEN verkaufen. Hier die Verkaufsseite. Eine ideale Station um den Westpazifik zu erkunden – und mit Sicherheit ein erstklassig gewartetes Boot.