Nach einem wehmütigen Fotoshooting mit SOUTHERN STAR in der Ansteuerung von AGUADULCE machen wir in der dortigen Marina PUERO DEPORTIVO AGUADULCE am Donnerstag den 29. Oktober 2015 fest.
Keine weitere Seemeile mehr in 2015.
Die nun folgenden 10 Tage sind STORMVOGEL vorbehalten. Wir wollen unser Boot ordentlich für den Winter einlagern, schließlich werden wir erst Anfang März 2016 wieder zurück kehren.
Das Wetter in Süd-SPANIEN ist einmalig. Tagsüber strahlend blauer, wolkenloser Himmel und angenehme 22-25°C, in der Nacht wird es mit um die 10°C doch schon kühl. Obwohl um diese Jahreszeit natürlich auch mal Winterstürme um die Ecke kommen, erleben wir nur einen für einen Tag. Das ist sehr OK.
Wir haben tatsächlich jeden Tag am Boot gearbeitet und waren überrascht, das wir gar nicht so viel Freizeit wie eigentlich erwartet bis zum Heimflug am 9/11 haben. Im folgenden nur die kommentierungs-würdigen Arbeiten…
…vorweg aber ein Nachtrag zu einem Ekeljob, durchgeführt am 25. September 2015 in SAINT MARIE DE LA MEER / FRANKREICH. Eigentlich wollte ich nichts dazu schreiben. Aber ein gewisser Wolfgang fühlte sich im Zusammenhang mit dem kleinen Heizungs-Desaster in BARCELONA dazu hingerissen, in einer eMail zu behaupten, ich zitiere:
“Bei der Technik scheinst Du ein echtes Händchen zu haben. Wenn man so zurückblickt, scheint alles was Du anfasst mit “brauner Masse” überzogen zu sein.”
1) Toilette
Nun, für die Heizung kann ich die “braune Masse” nicht bestätigen. Wohl aber für die Toilette. Nach meiner Meinung gibt es auf einem Segelschiff eigentlich nur zwei wirklich wichtige, gar unverzichtbare technische Einrichtungen, die immer mal wieder Ärger machen. Zum einen wäre da die Hauptmaschine, zum anderen die Toilette.
Um so mehr mag es überraschen, das unsere Toilette der Marke BABY BLAKE seit Reisebeginn nie, aber auch NIE Probleme gemacht hat. Also drei Jahre Wartungsfrei. Das ist sensationell!
OK, das lag vielleicht auch daran, das die Toilette im Rahmen des STORMVOGEL ReFit Anfang 2012 komplett gewartet wurde. Neue Dichtungen und so.
Nun also doch der lang erwartete Toiletten-Gau – die Toilette pumpt nicht mehr ab, die Toilette ist von einer Benutzung auf die Nächste unbrauchbar.
Das ist schlecht, ganz schlecht. Wir haben nur den einen stillen Ort.
Und erwarten in SAINT MARIE DE LA MEER auch noch Besuch.
Es bleibt also nach Ankunft im Hafen nur eine sofortige aktute Not-Operation. Wir haben vorgesorgt. Seit 2012 fahren wir ein Wartungskit für die Toilette um die Erde, das jetzt, nach zehntausenden von Seemeilen, endlich zum Einsatz kommen kann!
+++ACHTUNG+++
Spätestens jetzt wird es unappetitlich. Ich hätte das ja auch alles verschwiegen, aber wenn Wolfgang so lästert (siehe oben) fühle ich mich gezwungen, einen meiner größten 2015 Erfolge, auch wenn er im direkten Zusammenhang mit Scheiße steht, zu berichten. Wer das nicht mag, kann ja zur nächsten Geschichte weiter unten scrollen
Die Toilette besteht aus einer Pozellanschüssel und zwei Pumpen, die aus Metall sind. Die kleinere, linke Pumpe befördert zum Spülen Seewaser in die Schüssel, die größere, rechte Pumpe saugt den ganzen Kram aus der Schüssel ab und pumpt ihn in den Schwarzwassertank. (Fäkalientank). Und genau die tut es nicht mehr.
Beherzt und von einem Bier ermutigt, mache ich mit viel Werkzeug und Putzlappen ans Werk. Denn eines ist ja schon vorher klar: Wenn man eine nicht mehr funktionierende Fäkalienpumpe demontiert, dann läuft da jede Menge Scheiße aus… ;-(
Die Ursache für die Fehlfunktion ist nach Demontage offenkundig. Sowohl Pumpe als auch Abflussschlauch sind mit einem Granulat aus (….das spare ich mir jetzt wirklich!) komplett dichtgesetzt und nur eine mechanische Bearbeitung schafft hier Abhilfe. Diese Fehlerursache kennen wir auch aus Erzählungen von anderen Booten. Seewasser und *** scheinen sich über die Monate zu einer Art Zement zu verbinden.
Nun denn, die Demontage ist einfach, die Teile alle in einen Eimer und an Deck erst mal vor-gereinigt, derweil Heidi die (äh) Schleifspuren heldenhaft im WC Raum beseitigt. Die Ersatzteile scheinen alle zu passen, ein paar Schrauben gehen einfach, aber die Demontage des Pleul will nicht gelingen. Ich bekomme das innere der Pumpe nicht aus dem Metallzylinder. Komisch ist, das das Innere konisch zu sein scheint und nur in eine Richtung heraus kommen wird?
Na ja, nach viel Drahtbürsten- und Hammereinsatz löst sich mit einem Male eine Art Stein (ich hasse schon das Wort “Urinstein”) auf der Innenseite des Zylinders. Der Durchbruch! Ich reinige die Innenseite des Zylinders akribisch bis sie so glatt ist wie die Lauffläche eines Zylinders in einem Formel-1 Rennwagen.
Die Dichtungen und Rückschlagventile werden fachgerecht durch neue ersetzt und schwupps, nach nur 2,5 Stunden Arbeit kann ich alles wieder zusammen setzten.
Gut in der Zeit, der Besuch ist noch nicht da. Aber es wird nun schon dunkel…
Der erste Test mit sauberen Seewasser ist erfolgreich, aber doch auch verstörend. Wieso zur Hölle pumpt die Pumpe so gut, so einfach? Viel besser, als sie das jemals an Bord getan hat?
Nun müsste ich wohl noch erwähnen, das ein anderer uns bekannter Fachmann aus AUSTRALIEN schon öfters an unserer immer funktionierenden Toilette herumgemäkelt hat: Nach seiner Ansicht würde die Pumpe nicht richtig pumpen – der Pumpweg sei viel zu kurz und müsste länger mit weniger Kraftaufwand sein. Nun, jetzt ist er, der Pumpweg, viel länger und man pumpt Butterweich ohne Kraft. Wie gesagt: Sie pumpt besser als je zuvor.
Die Erklärung für die verblüffende und überraschende Verbesserung ist ebenso einfach wie banal: Der Mitarbeiter der Werft, die in 2012 die Toilette überholt hat, hat einfach nur die Dichtungen getauscht und nicht den Pumpenschaft überholt. Sauerei!
Also dann: Bei diesem Job hatte ich wirklich braune Masse an den Fingern – aber erfolgreicher kann man kaum sein: Nicht nur repariert, sondern sogar stark verbessert!
Doll, wa?
2) Wassermacher
In diesem Jahr sind zwar weniger Betriebsstunden hinzu gekommen als im Vorjahr in Asien, wir waren aber auch im Mittelmeer sehr froh, ihn zu haben. Für die Einwinterung haben wir ihn wieder mit so einem spezial-Pulver sterilisiert. Wichtig ist das die Membranen in einem guten Zustand bleiben – in 2016 werden wir ihn wieder in Betrieb nehmen und ordentlich, sehr ordentlich, spülen. Da Süd-SPANIEN im Winter frostfrei bleibt, brauchen wir keine Entwässerung.
3) Segel
Unsere drei weißen Segel haben wir abgeschlagen und durch einen Segelmacher kontrollieren und reparieren lassen. Die Demontage ist jedes mal Schwerstarbeit und es war gut, das wir Robbie als Dritten Mann hatten. Ferner lagen wir längsseits an einer Betonpier. Die FOCK ist gut zu zweit an Deck zusammen zu legen – aber YANKEE und GROSS – oh Himmel! Da ist es ganz gut, wenn man die Pier zum Zusammenlegen mit benutzen kann. Der Segelmacher kam denn auch schnell um GROSS und YANKEE mit zu nehmen – sehr lustig: In einem SMART!
Ungläubig waren wir, das er schon nach vier Tagen wieder zurück kam und ein paar Nähte nach-genäht hat sowie ein paar kleine Reparaturen durchgeführt hat. Echt gut. Wir glauben, das es sich wirklich bei Langfahrt auszahlt, einmal in richtig gute Segel zu investieren.
4) Heizung
Wir hatten ja vermutet, das wir (ich!) das Steuergerät der neuen Heizung durch einen falschen elektrischen Anschluss zerschossen haben. Also haben wir ein neues Steuergerät als Ersatzteil nach AGUADULCE bestellt. Für immerhin 25% der Kosten der neuen Heizung. Diese Ersatzteil-Abzocke allerorten geht mir langsam auf den Keks!
Nun denn, es hat sieben Tage gedauert, um ein 20cm mal 20cm großes Päckchen von BARCELONA nach AGUADULCE zu schicken. Spanien ist schon recht merkwürdig.
Egal: Der Austausch und Anschluss dauerte keine Stunde und – tärä, tära, tusch:
Sie funktioniert!
Hurra, Hurra, Hurra!
Nun gibt es da nur noch so eine Idee, statt dem neuen “doofen” “Ein/Aus” Schalter die alte Zeitschaltuhr wieder in Betrieb zu nehmen. Neben dem Komfort-Zuwachs (Heizung kann zeitgesteuert innerhalb von 24 Stunden zweimal automatisch eingeschaltet werden) treibt uns viel mehr der Gedanke, das jetzt ein sehr unschönes Loch in unserer Instrumententafel im Deckshaus klafft, das der Schalter nicht füllen kann.
Also habe ich WEBASTO kontaktiert, um die Kabelbelegung dieses historischen Schaltteils in Erfahrung zu bringen – und die nur 24 Stunden später bekommen. Der Service bei WEBASTO ist wirklich Spitzenklasse, mein Verbesserungsvorschlag bezüglich der Kabelbelegung hingegen fand keine Liebe.
Nun denn, mir ist fast klar, wie die Verkabelung der Uhr funktioniert. Fast. Und dieses “Fast” könnte mal eben wieder richtig teuer werden, wenn ich eben nur “Fast” richtig liege. Also werde ich das mit einen technischen Superhirn diskutieren müssen – und ich habe da schon einen gewissen Herrn W. im Auge – als Revanche!!!
+++Farbkodierung (siehe Bild oben)+++
(in Verbindung mit Heizgerät DBW2010 und Zeitschaltuhr 1522)
ROT = +12 Volt permanent
BLAU/GELB = Ein/Aus Schalter für 12 Volt Schaltung (zusammen mit SCHWARZ), Pin B1 am Steuergerät SG 1553
ROT/BLAU = grüne LED Betriebsleuchte, Pin B3 am Steuergerät SG 1553
GELB = +12 Volt für Instrumentenbeleuchtung
BRAUN = -12 Volt, Pin B2 am Steuergerät SG 1553; Und das ist die Unsicherheit: Zum einen braucht die Zeitschaltuhr ja ein “minus”, zum anderen das Heizgerät. Dort haben wir jetzt am Pin B2 “minus” anliegen – muss das jetzt das gleiche “minus” für die Zeitschaltuhr sein oder kann ich von irgendwo ein beliebiges “minus” hier anlegen? (aber wieso sagt die Anleitung dann, es müsse von B2 kommen?)
SCHWARZ = Ein/Aus Schalter für 12 Volt (zusammen mit BLAU/GELB), Pin B1 am Steuergerät SG 1553
BLAU = grüne LED Betriebsleuchte, Pin B6 am Steuergerät SG 1553
GRÜN = unbenutzt
VIOLET = nicht angeschlossen -> Automatische Abschaltung nach 59 Minuten; An +12 Volt angeschlossen -> keine automatische Abschaltung
5) Alle Fallen abgebaut
“Fallen” sind die Tampen (ach je, jetzt muss ich auch noch Tampen erklären), also die Seile, mit denen die Segel hochgezogen werden. Also gehen die 17 Meter rauf in die Mastspitze und dann wieder 17 Meter wieder runter.
Zum einen war die Motivation “reinigen”, zum anderen mussten die alle mal wieder inspiziert werden, damit sie auf See nicht in einem wirklich unpassenden Moment brechen. Zwei Fallen haben denn auch auch deutliche Verschleißspuren – wie erwartet die von FOCK und YANKEE. Das liegt daran, das diese beiden Fallen immer unter Spannung stehen und oben am Mast über eine Umlenkrolle geführt werden – das stresst die Leine, wie man sehen kann. Aber wir haben Glück: Beide Leinen sind noch lang genug, so das wir sie kürzen können und nicht vollständig ersetzten müssen.
Das mit dem “reinigen” geht auf den Bootstransport im Mai 2015 zurück: Die Fallen waren alle von den Schiffsabgasen eingesaut. Nachdem wir die abgebaut haben, kamen die alle in Bettbezüge und dann in die Waschmaschine des örtlichen Waschsalons. Dadurch haben wir die auch alle wieder schön geschmeidig bekommen. Einige waren Stock-Steif vom Salzwasser…
Damit wir die Fallen wieder einziehen können, haben wir dünne Sorgleinen als Ersatz gezogen – mal sehen, ob die auch noch alle da sind, wenn wir im März 2016 wieder kommen…
6) Pakete packen
Drei Jahre auf engstem Raum sorgen dafür, das man sich immer weiter zu müllt. Nicht direkt mit Müll, aber mit Material, Büchern und Klamotten, die man in den jeweiligen Ecken der Erde halt so braucht.
Also haben wir drei große Kisten mit in der Summe über 100 Kilogramm gepackt um sie nach Hause zu schicken. Geht ja jetzt, da wir in Europa sind. Allein das Finden eines Transportunernehmens war nicht einfach.
Über eBay-Kleinanzeigen und uShip nach Anbietern gesucht, Angebote bekommen und einen ausgewählt. Der ist (natürlich) trotz Zusicherung (“das klappt 100%ig”) nicht gekommen. Zum Glück konnten wir die Pakete im Hafenbüro unterstellen und jetzt sind sie mit einem anderen Anbieter auf dem Weg. Hoffentlich – abgeholt wurden sie jedenfalls
Herrlich, wie viel Platz wir dadurch auf dem Boot geschaffen haben – und im Haus dafür brauchen werden
7) Ersatzteile beschaffen
Für die Grossschoot (von RONSTAN) brauchen wir eine neue Rolle, für die Mastrutscher (von FREDIRKSEN) neue Pins und Schrauben. Wie passend, das RONSTAN FREDIRKSEN vor einiger Zeit übernommen hat und alle Ersatzteile in Deutschland über KOHLHOFF zu beziehen sind.
Irgendwie haben wir einen Lukenhandel aus Kunststoff zerbrochen (Altersschwäche vs. rohe Kräfte) und notdürftig mit Epoxy-Kleber geflickt. Auch hier finde ich es sensationell, das man nach mehr als 20 Jahren diese Teile noch als Ersatzteil bei GOIOT führt und über BOOTSBEDARF-NORD beziehen kann.
8) Sonstiges
Anti-Fouling (die rote Farbe von Unterwasserschiff) wollen wir dieses Jahr nicht machen – wenn alles nach Plan geht kommt der STORMVOGEL im Winter 2016/2017 auf eine Beauty-Farm und dann ist auch ein neues Anti-Fouling drin.
Mit Chance wird das Überwasserschiff noch poliert, schließlich wollen wir ja nett&adrett wieder ins Wasser. Und wir werden wohl mal wieder eine Edelstahl-Polier-Orgie einlegen müssen. Wenn das Wetter gut ist, macht das ja sogar auch Spaß.
Nach dem der STORMVOGEL auf dem trockenen war, haben wir das Wellenspiel und die Propeller-Anode überprüft. Letztere haben wir dann auch direkt erneuert (Ersatzteil an Bord gehabt). Das Wellenspiel ist merklich, aber nach Einschätzungen anderer durchaus OK. Zuletzt wurde das hintere Wellenlager im Frühjahr 2014 in NEUSEELAND ausgetauscht, seit dem haben wir 900 Motorstunden (…jetzt, wo ich das schreibe finde ich das unglaublich viel!) mehr auf der Uhr. Leider findet sich im INTERNET kein Hinweis darauf, wie lange so ein Gummi-Gleitlager wohl halten sollte.
Soweit zum Winter-Lagebericht.
Peter.