Eigentlich wollte ich schon immer mal einen Beitrag zum Thema “Angst”
verfassen…
…und irgendwie passt unsere heutige, sichere und am Ende sogar
problemlose Ankunft in ANATOM (Süd-VANUATU) auch hervorragend dazu.
Das hört sich widersprüchlich an?
Ist es durchaus nicht!
Jeder hat wohl Angst zu sterben, aber ist das eigentlich die gleiche
Angst wie die vor dem Tod? Ist der “Prozess des Todes” (also das Sterben
an sich, der Übergang vom Lebenden zum Toten) nicht das eigentlich
erschreckende?
Wenn man doch nur einfach tot um-fiele, das war es dann, dann wäre doch
eigentlich alles gut. Wenn man denn jetzt schon sterben müsste. OK,
vielleicht hat man noch nicht alle Dinge erledigt, die man erledigen
wollte, vielleicht ist nicht alles organisiert, wie es organisiert sein
sollte. Aber das findet sich schon auch ohne einen selbst. Bestimmt.
Hingegen qualvoll den Übergang vom Lebenden zum Toten zu beschreiten,
womöglich Mutterseelen allein hilflos im Wasser treibend und von
tosenden Wellenbergen umgeben? Stundenlang auf das Ende (…den Tot)
wartend?
Das finde ich wirklich beängstigend.
Und es ist genau diese Angst die mich dazu treibt, alles, aber auch
wirklich alles zu unternehmen, um wenigstens diese Art des ungeplanten
Sterbens zu vermeiden. Trotz Seekrankheit, trotz Schlafmangel. Trotz
Frust, warum wir bei dieser famosen Planung von 9 Segeltagen 7
Starkwindtage “ertragen” mussten?
So jedenfalls geht es mit uns nicht zu Ende, SO NICHT!
Also wird das Boot trotz drängender Angst, trotz nagender Zweifel ob
wohl alles technisch in Ordnung ist, 1.000 mal geprüft, die Segel so
exakt getrimmt, wie es mir nur möglich ist. Alle nicht benötigten Leinen
werden x-mal neu aufgeschossen und weg gestaut. Hier geht keine Leine
mehr über Bord! Diese Pedanterie nervt, das schlaucht, das alles ärgert
sogar. Aber von so ein “bisschen” Wind lassen wir uns nicht fertig
machen. Nicht jetzt und nicht in Zukunft.
Unter Deck ist die Hölle los. Geräuschkulisse Marke Albtraum. Die
brechenden Wellen knallen alle paar Sekunden seitwärts gegen das Boot –
mit einem unglaublichen Bumms. Dabei werfen sie es auf die Seite und wir
krängen extrem, nur, um ein paar Sekunden später auf die andere Seite zu
kippen, besser, in atemberaubender Geschwindigkeit zu fallen! Das
veranlasst denn auch alle Schrankinhalte zu einem lauten Aufschrei, der
im allgegenwärtigen Heulen des Windes in der Takelage aber fast untergeht.
Wenn das Umblättern von Seiten beim KINDLE eBook Reader Geräusche machen
würde, dann würden die zwar im einzelnen untergehen…bei der
Lesegeschwindigkeit von Heidi allerdings könnte sich daraus ebenfalls
eine Stimme im Sturm-Sinfonie-Orchester ergeben. Zwei Tage, ein Buch.
Leute, schreibt mehr, schneller! Heidi liest alles weg!
Zu sehen – fast nichts!
Der Mond ist von finsteren Wolken verdeckt, wenn man vom Deckshaus ins
Cockpit geht, muss man sich überwinden in dieses Tosen und Brausen
seinen Kopf zu stecken. Aber TRUDI (die Windsteueranlage) will betreut
werden…und die ist nun mal am letzten Ende des Boots. Einsam, in der
Dunkelheit. Sie macht mal wieder einen Bombenjob.
Wellen, bestimmt an die vier Meter hoch. Brechend. Übers Deck, ins
Cockpit. Wasser überall.
Segeln ist für wahr ein Wassersport!
Und wir machen das freiwillig. Denn es ist “part of the deal”. Ohne
echte Anstrengung auch keine echte Belohnung.
Ich schaue hinaus. Sandstrand, Palmen, Türkises Wasser.
Das ist sie, die Belohnung!
Peter.
P.S.: Hier auf dem Anker pustet es auch (natürlich) noch ordentlich.
25-30 Knoten. Aber das Boot liegt ruhig und stille, ganz so, wie es sein
soll, gell?